Trauer um den großen Fritz Pape

Niemand in der Nachkriegsgeschichte hat den Vielseitigkeitssport in Baden-Württemberg so geprägt wie Fritz Pape, der Schlossherr von Sindlingen. Der langjährige Landestrainer ist am Montag wenige Wochen vor seinem 76. Geburtstag verstorben, seine letzten Tage waren aufregend für ihn, für seine Familie und für das ganze Land, das nun um ihn trauert. Fritz Pape wird vielen Menschen ein Vorbild bleiben - als ein Pferdemann, der immer über den Tellerrand hinausgeschaut hat. Wir werden ihn für immer in Erinnerung behalten als einen Menschen mit Weitblick, klugem Verstand, großem Herzen und einer grenzenlosen Neugier, das Leben immer wieder neu zu erkunden. Das Reiten und die Pferde waren seine Basis für geistige Entdeckungen, die sein Leben dynamisch und weltoffen gehalten haben bis zuletzt.
Gespräche mit Fritz Pape waren immer ein Erlebnis. Der alte Herr, der den Stil des bodenständigen und ehrlichen Schlossherrn so herrlich charismatisch verkörperte, erzählte gerne, und er hatte so viel zu erzählen! Aber er hörte auch gerne zu, war neugierig auf sein Gegenüber. Fritz Pape war ein empathischer Mann, der die Menschen mochte.
Er wird unvergessen bleiben, so wie sein verschmitztes Lächeln und die Art, eine Augenbraue leicht zweifelnd nach oben zu ziehen. Auch im hohen Alter hatte sich der Mann etwas Jungenhaftes bewahrt, er blieb ein bisschen frech auf hohem Niveau. Den auffälligen Schnauzbart, früher blond wie das Haupthaar, später weiß, trug er immer mit Stolz. Er ist bis zuletzt sein Markenzeichen geblieben. Damit wurde er bekannt fast auf der ganzen Welt.
Das Schloss Sindlingen im Gäu, mit Reitbetrieb, Hotel und sagenhaftem Ausreitgelände, war das Zentrum seines Lebens seit seiner Kindheit. Sein Vater hatte es nach dem Krieg erworben, die Familie stammte ursprünglich aus Pforzheim. Dort ist Fritz Pape 1947 zur Welt gekommen. Auf dem Land lernte er vom Vater, der Pferde züchtete, das Reiten. Seine erste Berufsausbildung war das Hotelfach. Aber Fleiß und Talent brachten ihn im Sport schnell voran. Die Papes kamen über das Jagdreiten zur Vielseitigkeit, die damals noch Military heißen durfte. 1968 wurde der junge Schwabe schon in den Bundeskader berufen, 1972 war er mit dem selbst gezüchteten Trakehner Talmingo sogar für die Olympischen Spiele in München nominiert. Aber der Wallach verletzte sich wenige Tage zuvor. Pape konzentrierte sich dann auf den Vielseitigkeitssport im Land und war für den schnellen Aufstieg der Disziplin verantwortlich. 1971 ist er zum ersten Mal Landesmeister geworden, 2005 zum letzten Mal. Insgesamt fünf Mal gewann er diesen Titel. 1988 wurde er auch auf dem Papier Landestrainer, aber schon vorher trainierten alle bei ihm. Er ist es 33 Jahre lang geblieben, bis 2021.
In diesen Jahren ist so viel passiert, was es ohne Fritz Pape nicht geben würde. Michael Jung hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass es der Landestrainer aus Sindlingen war, der ihn entdeckt, geprägt und entscheidend gefördert hat. Pape war bis zuletzt mit der Familie eng verbunden. Auch die Brüder Vogg nennen ihn ihren wichtigsten Trainer. Rüdiger Rau, selbst internationaler Coach, hatte Pape zum Vorbild – wie viele andere „Busch-Leute“ des Landes. Fritz Pape trainierte seine Leute nicht nur, er konnte sie begeistern, weil er selbst ein begeisterter Mensch war, so emotional. Es ist keine Frage: Der Vielseitigkeitssport aus Baden-Württemberg hätte im Land und international nicht diesen herausragenden Stellenwert ohne den Schlossherrn von Sindlingen.
Im Sattel lebte er das vielseitige Reiten wie kein Zweiter, ritt Dressur und Springen bis zur höchsten Klasse. Eine zeitlang war er sogar Spezialist für Mächtigkeitsspringen. Und er ritt immer wieder Jagden. Er war in Richtung Leistungssport orientiert, ohne die Basis zu vergessen. Unzählige Kinder aus der Gegend und dem Raum Stuttgart lernten auf Schloss Sindlingen das Reiten und legten das Reitabzeichen ab. Der kluge Pape hat früher als andere erkannt, dass es die Menschen nicht mehr alleine zum Pferd drängt; dass man sie abholen muss.
Fritz Pape war ein kultur- und kunstbeflissener Herr mit weitem Horizont. In seinem Schloss organisierte er Ausstellungen und Empfänge, viele Jahre unterstützte er damit seinen alten Freund und Wegbegleiter, den Künstler Klaus Philipp. Er förderte aber immer wieder auch soziale Einrichtungen. Mit dem Pferdesport öffnete er sich der Welt, trainierte Schülerinnen und Schüler auf allen Kontinenten. Er reiste gerne und lernte gerne die Menschen kennen. Er konnte das Leben auch genießen. Fritz Pape war Träger zahlreicher Ehrungen, unter anderem des Deutschen Reiterkreuzes in Silber.
Das Land trauert um eine ihrer großen Reiterpersönlichkeiten. Fritz Pape hinterlässt seine Ehefrau Ilse, mit der er 51 Jahren verheiratet war, und vier Töchter. Sechs Enkelkinder werden noch lange von ihrem Großvater, dem Reiter und Schlossherrn, erzählen können.
Roland Kern
In eigener Sache
In der jetzt kommenden Printausgabe des Reiterjournals 9/2023 beschäftigen wir uns in einem Leitartikel auch schon mit Fritz Pape, der vor wenigen Tagen vermisst wurde. Nach einem Aufruf seiner Familie in den sozialen Netzwerken, der sich rasend schnell und weit verbreitete, wurde er wieder gefunden. Gesund und wohlauf. Da war noch nicht klar, dass diese Turbulenzen ihn wohl mehr erschöpft hatten, als zunächst gedacht. Eine Woche später erreichte uns die tragische Nachricht von seinem Tod. Der Leitartikel über das Netzwerk der Reiter, das Fritz Pape geholfen hatte, beginnt nun mit dem Satz „Fritz Pape lebt.“ Dieser Satz und das Heft waren schon gedruckt und auf dem Weg zu den Leserinnen und Lesern. Der Tod war leider schneller. Wir werden ihn nie vergessen.