Driving World Cup Stuttgart: Was macht das Fahren in der Halle aus?

Ein Gespräch mit den Worldcup-Fahrern Michael Brauchle und Mareike Harm:
Traditionell gehen Fahrer und Beifahrer vor Beginn einer Prüfung den Parcours in der Halle zu Fuß ab. Auf Vermittlung von Bundestrainer Karl- Heinz Geiger geben Mareike Harm aus Negernbötel in Schleswig-Holstein und Michael Brauchle aus Aalen-Ebnat vor dem Beginn der ersten Prüfung am Freitag im Gespräch mit dem Reiterjournal einen Einblick über ihre Vorbereitungen auf eine Prüfung. Sie informieren, worum es beim Abgehen des Parcours geht und wollen so auch zum besseren Verständnis für ihren Sport beitragen.
Bevor sie den Parcours in der Schleyer-Halle abgehen, haben sie die von Parcours-Chef Jeroen Houterman freigegebene Skizze intensiv durchgesehen. Vorrangig interessieren sie sich für die beiden in der Halle aufgestellten festen Hindernisse. Die Durchfahrten in diesen beiden Hindernissen sind mit den Großbuchstaben A bis F gekennzeichnet. Auch in ihnen geht es darum, möglichst schnell auf der Optimal-Linie ohne Abwürfe durchzukommen. Aus der Zahl der Schritte ergibt sich für die Fahrer, welches der kürzere und welches der längere Weg wäre. Da der kürzeste Weg nicht immer der schnellste ist, überlegen sie sich bereits, welche Variante zu wählen wäre, wenn sie – aus welchem Grund auch immer – die Optimal-Linie verfehlen. „Wir wollen stets herausfinden, ob der engere Weg tatsächlich der schnellere ist und müssen zugleich herausfinden, ob der längere Weg nicht doch der schnellere ist.“
Auch bei den Kegel-Paaren gilt es zu bedenken, wie diese am schnellsten – möglichst ohne Abwürfe – zu durchqueren sind und welches die schnellste Strecke zum jeweils nächsten Kegelpaar oder Hindernis ist. Optimal wäre, alle Kegelpaare oder Tore in den Hindernissen auf dem geraden Weg anzusteuern, vor allem bei hoher Geschwindigkeit. Denn beim Ansteuern aus der Schräge heraus, ist die Gefahr größer, einen Ball abzuwerfen. Ein schräg angefahrenes Hindernis scheint oft die schnellere Variante zu sein, ist aber auch die riskantere Fahrweise. „Je schneller wir unterwegs sind, desto mehr müssen wir darauf achten, auf geradem Weg durch die Kegeltore zu fahren. Wenn wir weniger schnell unterwegs sind, ginge das auch mit einer schrägen Anfahrt“, sagen beide. Im Parcours müsse immer aus der Situation heraus entschieden werden, welche Variante die bessere sei. „Die Reihenfolge der Hindernisse müssen wir uns aber schon beim Studium der Parcoursskizze einprägen. Das gilt auch für unsere Beifahrer. Sie unterstützen uns, die optimale Variante einzuhalten.“
Im Parcours kommt es dann auch darauf an, ob und wie die Pferde mitmachen. Ideal ist, wenn Vorderpferde und Stangenpferde eine Einheit bilden und als Team zu steuern sind. „Die Vorderpferde müssen bereit sein, sich blitzschnell in die von uns Fahrern vorgegebene Richtung zu bewegen. Die Stangenpferde ´müssen genauso schnell bereit sein, den Wagen in die gewünschte Richtung zu ziehen.“
„Dabei müssen wir bedenken, dass jedes Pferd seinen eigenen Kopf und seinen eigenen Charakter hat. Wir müssen immer darauf achten, ob und wie sich das einzelne Pferd in das Team einfügt. Auch darauf müssen wir Rücksicht nehmen.“
Durch Annehmen und Nachgeben der Leinen können die Fahrer nicht nur die Richtung, sondern auch die Geschwindigkeit der Gespanne regulieren. „Durch Annehmen der Leinen können wir die Geschwindigkeit verlangsamen, durch Nachgeben (d.h. Verlängern) der Leinen eine höhere Geschwindigkeit erreichen.“ In den Wendungen kommt es darauf an, mit den Händen flink zu sein und die Leinen schnell „umzugreifen“, um die Pferde in die gewünschte Richtung abwenden zu lassen. Indem sie kurz vor Wendungen „eine Schlaufe legen“, können die Fahrer die Leinen auch schnell wieder verlängern, wenn sie nach der Wendung wieder Fahrt aufnehmen wollen.
Um langsamer zu werden, benützen die Fahrer zusätzlich zu den Leinen auch die Bremsen. Der Einsatz der Peitsche – etwa zum schneller werden - spielt für sie im Parcours aber keine Rolle. Eine lange Variante der Peitsche wird zwar von den Grooms mitgeführt, kommt aber ebenfalls fast nie zum Einsatz.

Für ein fehlerfreies Durchfahren der Hindernisse und Kegelpaare spielt immer auch eine wichtige Rolle, wo diese im Parcours aufgestellt sind. „Je näher sie an der Bande und in Nähe der Zuschauer stehen, desto schwieriger ist es für uns als Fahrer, fehlerfrei durchzukommen. Denn die Pferde können an diesen Stellen leicht durch die Zuschauer abgelenkt werden.“
Eine immer wieder entscheidende Funktion im Parcours haben die Beifahrer. „Die bestimmen durch Gewichtsverlagerung und Ausbalancieren unsere Stabilität auch in den Kurven. Sie können durch Verrücken der Hinterachse sogar Kollisionen mit einem Hindernis vermeiden. Sie können uns zudem durch Zuruf warnen oder Tipps geben und durch schnelles Auf- oder Zumachen der Drehkranz-Bremse die Fahrten sicherer machen.“
„Bei allen Indoor-Turnieren, die wir bisher gefahren sind, haben wir festgestellt, dass sich unsere Pferde sehr gut auf die anderen Umstände in der Halle eingestellt haben“, heben Mareike Harm und Michael Brauchle hervor. Nach ihrer Auffassung sind die Fahrten in der Halle für die Pferde nicht strapaziös. Auch der Lärm, der oftmals bei Hallen-Turnieren vorherrscht, strengt ihre Pferde nicht an. „Im Gegenteil, nach unserer Wahrnehmung fühlen sich unsere Pferde durch Beifall und Musik sogar angefeuert. Zumindest unsere älteren und erfahrenen Pferde, die wir im Unterschied zum Freiland in der Halle bevorzugen. Ältere Pferde sind nach unserer Erfahrung in der Halle deutlich entspannter als junge. Die Nachwuchspferde gewöhnen sich erst allmählich an die neue Umgebung. Antrainieren können wir das ihnen nicht. Ihre Erfahrungen müssen sie selbst sammeln.“
Um die Kondition zu erhalten, trainiert Mareike Harm ihre Pferde zur Vorbereitung auf die Indoor –Veranstaltungen in ihrer eigenen Halle. Michale Brauchle, der diese Möglichkeit nicht hat, trainiert seine Pferde im Freien auf seinem Fahrplatz auf der Ost-Alb, hat dadurch aber noch keine Nachteile verspürt. Die Kondition, die ihre Pferde im Freiland erlangt haben, ist nach Ansicht beider Fahrer für den Einsatz in der Halle ausreichend
„Wenn wir einfahren und die Glocke ertönt, sind meine Pferde voll dabei. Nach unserer Wahrnehmung freuen sie sich über die große Kulisse. Die macht ihnen nichts aus, sondern motiviert sie sogar und spornt an. Sie wollen nicht nur 100 Prozent, sondern möglichst 110 Prozent Leistung erbringen. In ein solches Team ein junges Pferd zu integrieren, ist der richtige Weg.“ (heo)